Aus einem Brief des einzig wahren Weltherrschers, der sich doch wieder Gedanken um die Demokratie macht und mich in einer E-mail teilhaben ließ:
Gestern musste ich mir mehrfach zum Jubiläum des Hambacher Fests anhören, dass es die "Geburtsstunde der deutschen Demokratie" sei.
Schöne Metapher. Bei Metaphern ist es üblich, dass ein Aspekt des Bildes mit dem Realen übereinstimmt. z.B. wird bei der Hochzeit in der Automobilbranche die Karosserie mit dem Rest "verheiratet".
Zugegeben, ich war bei keiner Geburt anwesend. Ich bin mir aber relativ sicher, dass eine der unmittelbaren Folgen einer Geburt ist, dass da jetzt ein Kind DA ist.
Davon merkte man 1832 nicht sehr viel, oder die Wahlbeteiligung war einfach noch viel geringer als heute (um 100%).
Entweder, wenn man die Metapher beibehalten will, war es eine "schwere Geburt", bei der Deutschland fast 200 Jahre in den Wehen lag. Wenn man aber die Versammlung in der Paulskirche auch als Geburt bezeichnet, kommen langsam Probleme auf. Entweder ist die Deutsche Demokratie der einzig historisch dokumentierte Fall einer Mehrfachgeburt im unüblichen Sinne, dass nicht Mehrlinge geboren wurden, sondern das Kind mehrfach geboren wurde, oder man verabschiedet sich von der unsinnigen Metaphorik und lässt ein bisschen Logik zu.
Dann wäre die Paulskirchenverfassung eine Fehlgeburt, dass ist nicht schön, aber Kindersterblichkeit war damals eben höher. Und das Hambacher Fest sollte als das bezeichnet werden, was es eigentlich war:
"Die Kleine aus dem Büro, die die Väter der Demokratie scharf gemacht hat, so dass sie später, als sie am Abend zuhause bei ihren Alten angekommen sind, zur Zeugung bereit waren."
Ist jetzt marketingtechnisch natürlich scheiße für Hambach, aber wäre ein Weinfest nicht sowieso touristisch attraktiver? Ich glaube, das würde auch mehr Geld einbringen als Festkonzerte mit Reden vom Weizäcker, der in dieser Hinsicht ja auch seinen Rhetorikzenit lange überschritten hat. Ich war überrascht, dass es den überhaupt noch gibt.
Die Geburt der deutschen Demokratie liegt dann um 1918/19 und als FESlerin solltest du mir da ja sofort zustimmen.
Gut, die Kindheit war nicht schön, da hat die deutsche Demokratie die volle Packung Kinderkranheiten durchmachen müssen und ist auch noch ganz auf die falsche Bahn geraten. Aber durch ein Betreuungsprogramm durch ein paar ältere mehr-oder-weniger- Demokratien (dafür alle lupenrein) konnte sie sich ja wieder fangen. Da stimmt die Allegorie in sich.
Falls du es bedenklich findest, die Sowjetunion als Demokratie zu bezeichnen, muss ich das damit relativieren, dass man ja auch heutzutage "Gegner des NS-Regimes" und "Nazi bis ins Mark" gerne mal verwechselt. Besonders hier in BaWü.
Saqiyuq - 28. Mai, 13:44